Wasserversorgung Roms in der Antike

Zusammenfassung

 

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In einer Seminararbeit wurde der Versuch unternommen, die gesamte Wassermenge der stadtrömischen Aquädukte zu ermitteln und die Verteilung zu bestimmen. Gleichwohl bleiben einige Unsicher­heiten: Dies betrifft zum einen die Wassermenge, die sehr stark von der Fließ­geschwindigkeit des Wassers abhängig ist und daher nur als ungefährer Durchschnittswert angenähert werden konnte, zum anderen die Verteilung: Die Überlieferung des Frontinus ist an dieser Stelle derart verderbt, daß jede Rekonstruktion der ursprüng­lichen Werte nur ein Versuch bleiben kann – bei gründlicher Durchführung aber in jedem Fall noch besser sein dürfte, als die überlieferten Zahlen.

Wenn im einzelnen also Abweichungen der berechneten Statistik von den tatsächlichen Ver­hältnissen angenommen werden müssen, so zeichnen sich dennoch einige deutliche Ten­den­zen ab: Der Ausbau des Leitungsnetzes unter Agrippa und Augustus dürfte durch zusätzliche Lei­tun­gen etwa eine Verdoppelung der bisherigen Wassermenge bewirkt haben. Dies ermög­lichte es, eine Vielzahl zusätzlicher Entnahmestellen einzurichten und das Wasser groß­flächi­ger in der Stadt zu verteilen. Vermutlich wurde in jener Zeit auch Trans Tiberim an die Was­ser­­versorgung angeschlossen. Die nächste grundlegende Verbesserung erfolgte unter Caligula und Claudius: Durch Aqua Claudia und Anio Novus konnte eine abermalige Verdoppelung der Wassermenge erzielt werden; das Wasser wurde nun über die gesamte Stadt verteilt. Be­trach­tet man nun die einzelnen Regionen, so stellt man einen direkten Zusammenhang zwi­schen der Bevölkerungsdichte und der Anzahl der Leitungen fest, welche die jeweiligen Regi­onen erreichten. Die Aqua Appia diente als älteste Leitung offenbar dazu, das dicht besiedelte Handels- und Gewerbeviertel zwischen Aventinus, Palatinus und Capitolium zu versorgen. Der Anio Vetus , dessen Flußwasser nur als Brauchwasser tauglich war, bediente dagegen die hoch gelegenen Gärten auf dem Esquilius, anscheinend zunächst nur zur Bewässerung. Die Aqua Marcia mit ihrer hervorragenden Wasserqualität versorgte dann vor allem die vorneh­me­ren Wohnviertel auf Quirinalis und Viminalis und führte weiter bis zum Kapitolshügel; von dieser Anhöhe aus konnte das Wasser in den an­gren­zenden dicht bebauten Stadtgebieten wei­ter verteilt werden. Aqua Tepula und Aqua Iulia versorgten ebenfalls diese Bereiche, und nun vermutlich auch das angrenzende Geschäfts­viertel am Argiletum. Die Aqua Virgo ist schließlich eng mit der Bautätigkeit des Agrippa auf dem Marsfeld und wohl auch mit seinen Be­sitz­tümern in Trans Tiberim verbunden, die Aqua Alsietina mit der Naumachia des Au­gustus. Einzelne Erweiterungen - etwa auf dem Caelius – trugen der weiteren Stadt­ent­wick­lung Rechnung oder waren mit einzelnen Bau­projekten verbunden (Arcus Caelemontani, ver­mut­lich Aqua Traiana und die Zuleitungen zu den später errichteten Thermen). Die Was­ser­ver­teilung ergibt, daß etwa ¼ dem Princeps zukam, etwas weniger als die Hälfte privaten Nut­zern und etwas mehr als ¼ der öffentlichen Nutzung. Bei den einzelnen Leitungen läßt sich ebenfalls nach Bedeutung differenzieren: Aqua Claudia und Anio Novus liefern einen über­durchschnittlich hohen Anteil für den Princeps, und der Anio Vetus mit seinem schlechten Fluß­wasser hatte eine besonders starke Abgabe vor der Stadt – offenbar zur Be­wässerung der dor­tigen Ländereien. Die Wasser­menge, die jedem Einwohner zur Verfügung stand, ist aller­dings nur sehr schwer zu bestim­men: Zum einen ist unklar, welchen Anteil die privaten Ab­neh­mer tatsächlich an der Gesamt­bevöl­kerung hatten, zum anderen muß berück­sichtigt wer­den, daß häufig Leitungen für einen längeren Zeitraum ausfielen. Man wird nicht ganz falsch lie­gen, wenn man für jeden Einwohner, der nicht über einen privaten Anschluß verfügen konn­te, eine Wassermenge von 60-70l, bzw. bei Leitungsausfällen von vielleicht 30-35l an­nimmt, die dieser realistisch nut­zen konnte (auf die Tagstunden bezogen, wenngleich das Wasser vermutlich ununterbrochen auch bei Nacht floß; insgesamt ca. 100l bzw. ca. 50l). Al­ler­dings muß dabei bedacht werden, daß das Wasser von der Entnahmestelle ab noch zu transportieren war, so daß die effektiv genutzte Wassermenge auch von den Transport­mög­lich­keiten abhängig war. Die Situation dürfte dabei für den gewöhnlichen Einwohner Roms nicht viel anders gewesen sein als bei der Brunnenversorgung, die in Spätmittelalter und früher Neuzeit in Mitteleuropa die Regel war. Die Bewässerung von Landgütern vor Rom und von Gärten in der Stadt, die einen hohen Anteil am Wasser­verbrauch ausmacht, wäre ohne die Was­serleitungen allerdings kaum in diesem Umfang mög­lich gewesen. Gleiches gilt für den Be­trieb von Thermen und Spring­brunnen, wie überhaupt eine ständige Wasser­versorgung der Stadt mit trinkbarem Wasser nur durch die Wasserleitungen gewährleistet werden konnte.

Unklar bleibt allerdings die Bedeutung der Castra; möglicherweise waren es Speicher, in denen überschüssiges Wasser aufgefangen wurde, welches von der Kapazität des Verteilungs­systems nicht aufgenommen werden konnte. Für eine endgültige Klärung wären hierzu aber weitere Untersuchungen der baulichen Reste und archäologischen Befunde erforderlich.

Die Veränderungen durch Frontinus zielten dann vor allem auf eine Beseitigung oder Lega­lisierung der unrechtmäßigen Wasserableitungen, auf eine Sicherung der Wasser­versorgung in allen Stadtteilen und eine Verwendung des Wassers gemäß seiner Qualität. Dies bedeutete, daß alle Stadtteile von mindestens zwei verschiedenen Leitungen parallel erschlossen wurden, und daß eine Trennung der Leitungen voneinander vorgenommen wurde. Um die Qualität des Anio Novus zu verbessern und diese höchstgelegene Leitung weiterhin zur Verstärkung der übrigen Leitungen einsetzen zu können, wurde er nicht mehr aus dem Fluß sondern aus neuen eigenen Quellen gespeist. Im Zusammenhang mit diesen ganzen Maßnahmen konnte die Zahl der Verteiler und öffentlichen Ausflüsse erhöht werden; das Überlaufwasser diente zur Ver­bes­serung des innerstädtischen Klimas und der Luftqualität. Spätere Ergänzungen des Lei­tungs­netzes dienten vor allem zur Versorgung einzelner Neubauten von Thermen (Thermen des Traianus, des Alexander Severus, des Caracalla und des Diocletianus), wobei die Aqua Traiana auch Mühlen antrieb und offenbar auch Wohn- und Gewerbeviertel versorgte. Im Vergleich mit der Statistik des Frontinus weist dann die Konstantinische Regionen­beschrei­bung im 4. Jh. eine Verdoppelung der Lacus auf.

Die Vielzahl der Instandsetzungen und die häufigen Ausfallzeiten machen allerdings auch die Anfälligkeit des Systems deutlich, die – wie auch die modernen Leitungsnetze – eine ständige Wartung erforderten.

In Hinblick auf die Frage, wie die Bauherren diese Infrastrukturmaßnahmen gewertet sehen wollten, läßt sich eine Entwicklung erkennen:  Die älteren Inschriften künden nach einer umfangreichen Titulatur lediglich kurz von der durch­geführten Maßnahme; die jeweilige Person, welche die Arbeiten durchführen ließ, steht im Mittelpunkt. Ab Claudius wird dies aber mit dem Versuch verbunden, die eigene Herrschaft indirekt mit den Vorgängern zu vergleichen: Es werden Unter­brechungen und Ver­fall der Leitungen ausdrücklich erwähnt, was die Bedeutung der eigenen Arbeiten unterstrich und die eigene Fürsorge in einen Gegensatz zur bisherigen Vernach­lässigung stellte. Wenn mehrere Inschriften untereinander zu stehen kamen, wurden zusätz­liche Formulierungen ein­ge­führt, die jeweils eine inhaltliche Stei­gerung gegenüber den älteren Texten bedeuteten. Auch wird der Gedanke der Fürsorge für die Stadt Rom in zunehmendem Maße betont. Die Sichtweise in den literarischen Zeug­nissen ist vielfältig: Strabon und Plinius d. Ä. betonen vor allem die technische Leistung, Suetonius erwähnt nur kurz die Wasserkanäle als eine Leistung der Principes unter vielen, Tacitus scheint die Bemühungen des Claudius um die Wasserversorgung sogar in einem ne­ga­ti­ven Zusammenhang zu sehen und stellt sie zwischen unwichtige und überflüssige Maß­nah­men – was hier tendenziös gegen die Person des Clau­dius gerichtet ist. Frontinus bewer­tet das Leitungsnetz zugleich unter den Gesichtspunkten des Umfangs und des Nutzens für die Stadt und stellt es dabei sogar über die Weltwunder der Antike. Schließlich betont er mehr­fach die Fürsorge der Principes für die Stadt, welche sich in diesen Bauten äußert; möglicher­weise auch in der Absicht, die Eitelkeit der Principes anzusprechen und damit weitere Arbei­ten durchzusetzen. Schließlich schildert er dann ausführlich, daß die (ohnehin große) Be­deu­tung Roms durch die jüngsten Maßnahmen sogar noch gesteigert werde; Rom als Königin und Herrin des Erdkreises.

Die gesamte Arbeit mit Karten folgt.



 

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